Christiane Geiser
Sprache
25.1.2011
Ich wohne seit kurzem ja wieder in Zürich. Dort habe ich einen Teil meiner Studienjahre und die ersten Arbeits- und Familienjahre verlebt.
Als ich in die Schweiz kam, wusste ich nicht, dass man dort „Mundart“ spricht, eine Art Dialekt, „Schweizerdeutsch“, der allerdings nicht, wie ich es aus Deutschland kannte, ein Soziolekt war, oftmals einer der so genannten Unterschicht – sondern die Sprache, die von allen gesprochen wird – nur nicht in Schulen, Universitäten, bei offiziellen Anlässen, dort wird „Schriftsprache“ oder „Hochsprache“ verlangt.
Von Kanton zu Kanton war diese Mundart unterschiedlich.
Anfangs verstand ich schlicht gar nichts.
Dann lernte ich hören, verstehen.
Später dann auch reden,- ich wollte die Sprache meiner Umgebung sprechen, die meines Kindes. Ausserdem gab und gibt es in der Schweiz ein nicht auszurottendes Vorurteil, eine Art Hassliebe gegenüber dem Hochdeutschen und den Menschen, die es so eloquent sprechen – und das war immer zu spüren, sobald ich den Mund aufmachte und Deutsch sprach.
Meine Muttersprache ist weitgehend verloren gegangen, – natürlich, im Schreiben habe ich sie noch, und manchmal, wenn ich im deutschsprachigen Ausland arbeite oder hier in Gruppierungen, in denen jemand keine Mundart versteht, dann kann ich sie sprechen und freue mich darüber.Es ist jedesmal ein bisschen Heimkommen.
Manchmal, wenn ich heute in Zürich im Tram sitze und sich Menschen laut unterhalten oder in ihr Handy reden und wenn sie das auf Hochdeutsch tun, dann bin ich immer zuerst erstaunt: tatsächlich, so viele Deutsche leben inzwischen hier! Die Zeitungen schreiben ja immer darüber, wie „die arroganten Deutschen“ immer mehr Arbeitsplätze besetzen. Während ich also -gezwungenermassen – zuhöre, wie sie ganz unbefangen sprechen, werde ich seltsam unruhig, möchte ihnen – in tatsächlicher oder nur eingebildeter Übernahme der Reaktionen der zuhörenden SchweizerInnen – am liebsten zuflüstern: pscht! leise! Ihr wisst ja nicht, was Ihr tut!